Bekenntnisse

Und noch ein Krieg
zum Gedenken

Nr. 626 – vom 14. November 2014
Die Mauerfall-Fete ist nun glücklicherweise vorüber. Damit sollte es eigentlich vorbei sein mit dem deutschen Gedenkjahr, wo auch für zwei Weltkriege endgültig die Verjährungsfrist abgelaufen war. Einen kleinen Kriegs-Geburtstag hatte man dabei vorsichtshalber total verdrängelt, denn vor 15 Jahren haben wir Deutschen zum ersten mal wieder einen Krieg mitführen dürfen – nach allzu langer Zeit, die seit dem Weltkrieg Germanisch II (wir hatten da vorsichtshalber mit einer Nummerierung begonnen; bei erfolgreichen Serien weiß man ja nie, wie viele Folgen es noch gibt) vergangen war.

Wie schrieb ein Kommentator in Springers „Welt“ in einem Gedenkartikel zum 9. November 1989: „Mit dem Fall der Mauer war die Nachkriegszeit für Deutschland endgültig vorbei.“ Folgerichtig begann spätestens mit der deutschen Vereinigung wieder eine Vorkriegszeit. Und die konnte schließlich nicht ewig andauern. Irgendwann wollten deutsche Helden wieder aufbrechen in die große, weite Welt. Und es war dafür auch höchste Zeit. Nachdem die Ex-DDR-Bürger schon längst ihre Reisefreiheit wiedererlangt hatten, gab es keinen Grund mehr, unseren Soldaten Reisebeschränkungen aufzuerlegen.

Der erste Ausflug ging dann ins ehemalige Jugoslawien. Zugegeben, der Balkan war nicht gerade das, was man ein exklusives Reiseziel nennen kann. Doch als die Nato diesen Krieg begann, wurde dringend deutsches Knowhow gebraucht. Schließlich kannten wir uns in diesen Gegenden schon von früher her besser aus als alle anderen. „Serbien muß sterbien“: Das haben schon unsere Urgroßväter jubelnd gerufen, als sie dort im ersten Weltkrieg einmarschierten. Und im Weltkrieg Numero Zwo haben wir dann unseren kroatischen Verbündeten geholfen, mehr als eine Dreiviertelmillion Serben zu massakrieren. Und Belgrad haben wir ganz nebenbei in Schutt und Asche gelegt.

Aber bei unserem letzten Serbienkrieg war es natürlich was ganz anderes, denn diesmal ging es ja darum, einen Völkermord zu verhindern. „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die Nato mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre  Katastrophe im Kosovo verhindern.“ Mit diesen Worten hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 der Öffentlichkeit den ersten Kampfeinsatz deutscher Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg mitgeteilt.

Der damalige "Verteidigungs"-Minister Scharping zeigte uns im Fernsehen auf Papptafeln, welche brutale ethnische Säuberung die Serben da im Kosovo planten: Man hatte nämlich bei der NATO einen sogenannten „Hufeisenplan“ der serbischen Führung ausfindig gemacht, der im einzelnen die systematische Vernichtung aufzeigen sollte. Dieser grausame Plan war für die deutsche Regierung der entscheidende Kriegsgrund. Blöderweise kam später heraus – dazu noch durch eine Enthüllung des „Hamburger Abendblatts“, das zur publizistischen Kriegspartei des Springer-Konzerns gehörte –, dass dieser Hufeisenplan eine reine Erfindung des NATO-Pressesprechers war. Die wirkliche ethnische Säuberung begann erst nach dem unvermeidbaren Sieg der NATO. Danach wurden 200 000 Serben und hunderttausende Sinti und Roma aus dem Kosovo vertrieben. Aber da haben wir dann schon nicht mehr so genau hingeguckt.

Aber für Gerhard Schröder und Joschka Fischer war dieser Krieg eben lediglich eine humanitäre Maßnahme. Unsere Tornados eigentlich düsende Friedensengel. Und es sang der Chor der himmlischen Heerscharen:

Vom Himmel hoch, da kommt es her.
Wir bomben heut humanitär.

Übrigens: Ein Krieg ohne Zustimmung der Vereinten Nationen, nur mit NATO-Vollmacht. Frank und frei erklärte Schröder im März dieses Jahres in einem Interview, er verstehe gar nicht die Aufregung um den völkerrechtlichen Einmarsch Putins auf die Krim. Er, Schröder, habe als Kanzler doch auch völkerrechtswidrig gehandelt, als er ohne jedes Mandat des UNO-Sicherheitsrates, aber mit voller Unterstützung von Angela Merkel und Joschka Fischer Jugoslawien bombardieren ließ. Und zwar, um eine Separatistenbewegung zu unterstützen, die einen eigenen prowestlichen Staat auf serbischem Boden gründen wollte und dann auch gründete.

Seltsamerweise hatte der Putin damals für diese Separatisten überhaupt kein Verständnis. Dafür die Nato umso mehr. Jetzt allerdings ist es in der Ost-Ukraine genau umgekehrt. Soll das einer verstehen, wer will. Ich will es nicht. Ich bin weder ein Schröder-Versteher noch ein Putin-Versteher noch ein Nato-Versteher.

Bleibt das Fazit bei aller Kriegsgedenkerei – auch am kommenden Sonntag, dem Volkstrauertag, der zum Tag der Kriegsgräbervorsorge geworden ist: Es musste erst „die Wende“ kommen, damit Deutschland wieder einsatzfähig wurde für Kriege. Logisch: Eine Wende geschieht, wenn man sich umdreht – und da hatten wir plötzlich wieder eine Perspektive vor uns, von der man glaubte, dass sie eigentlich endgültig hinter uns gelegen hätte.


PS: Demnächst trete ich an folgenden Orten auf – kommen Sie doch auch! Am 14. und 15. November im Nürnberger Burgtheater, am 16. November in Berlin im Kabarett-Theater Distel und am 21. November in Diensdorf-Radlow. Mehr Informationen zum Tourneeplan finden Sie ebendort.