Bekenntnisse

Buchholz schauert‘s wieder

Nr. 623 – vom 24. Oktober 2014
Mich haben so einige besorgte Mails und Anfragen erreicht, ob ich denn wohlauf sei, weil man so lange keinen Besinnungsaufsatz mehr von mir gelesen habe in dieser angeblichen Kolumnen-Wöchnerei. Die Antwort für mein Schwänzen ist ziemlich einfach: Ich war zu faul und zu unbelustigt. Natürlich darf man sich so etwas wie gesellschaftliche Lustlosigkeit  oder gar Frustvölligkeit in meinem Kritik-Gewerbe eigentlich gar nicht leisten, aber ich wollte eine Auszeit haben ohne jeden Morgen die Meldungen zu durchforsten zwecks satirischer Verarbeitung. Diese Auszeit ist vorbei; die Inzeit beginnt wieder. Also rein ins traurige Vergnügen!

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Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag hart wie Kruppstahl entschieden: Die Bundesregierung darf Rüstungsexporte vor den Abgeordneten so lange geheim halten bis diese Deals kaum noch zu stoppen sind. Unseren Rüstungswirtschafts-Minister Gabriel wird das freuen. So spart er sich den Ärger mit den eigenen Genossen, vor denen er noch im Mai lautstark gemaulhurt hatte, was für ein großer Abrüster er doch sei. Inzwischen stimmte er kleinmäulig allen Waffengeschäften zu, die arabische Scheichs befähigen, ihre Bevölkerung im Krisenfall gut in Schuss zu halten. Nun ja, das ist eine alte Geschichte. Wenn die CDU ganz dringlich etwas fordert, hört man von den mitregierenden Genossen zunächst nur ein zögerliches „Ja, aaaber...“ Und zum Schluss heißt es dann immer: „Aaaber jaaa!“ So kann keiner sagen, dass die SPD nicht zu ihrem Wort steht. Nur dass die Wörter dabei gelegentlich verdreht werden.

Sigmar Gabriel hat sich selbst einmal in einem Interview als „meinungsstark, aber kompromissfähig“ charakterisiert. Und wenn er mal ein kleines bisschen zu meinungsstark ist, dann beordert ihn die Chefin in ihr Büro. Brav marschiert dann der Minister zum Kanzleramt, und natürlich nimmt er auch seine meinungsstarke Meinung mit. Weil er aber auch kompromissfähig ist, überlässt er seine Meinung grosszügig der Kanzlerin und marschiert mit ihrer Meinung wieder davon. Das nennt man einen demokratischen Meinungsaustausch.

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Ich bin ja ein Fan von der Berliner SPD – obwohl ich ansonsten von Trash-Comedies eher gelangweilt bin. Aber diese Wowi-Nachfolgewahl im Berliner Genossenklüngel war so eine gelungene provinzielle Veranstaltung, dass das Tegernseer Bauerntheater dagegen dramaturgisch glatt abstinkt. Allein die nervenzerfetzende Spannung, die da in dieser internen Berliner SPD-Inszenierung dem Zuschauer durch alle Adern jagte, war kaum noch auszuhalten. „I have a faint cold fear thrills through my veins“, schrieb einer der ausländischen Wahlbeobachter, ein gewisser William Shakespeare (immerhin etwa 300 Jahre älter als die SPD). Wahrlich, ein Drama im Stil seiner alten Königs-Historien: Drei Machtmänneken, die sich da um die wowereitsche Erbschaft stritten, also um die Trümmer der bruchgelandeten Höhenflüge.

Wäre es nach mir gegangen, hätte die Kultur-Staatssekretärin Monika Grütters diese interne SPD-Wahl gewonnen. Nur kam sie gar nicht in die engere sozialdemokratische Auslese: Blöderweise ist sie eine Frau und aus Versehen auch noch in einer anderen Partei, allerdings in einer von der SPD nicht sehr weit entfernten, also in der Schwesterpartei CDU. Doch eine kluge, kulturell interessierte und informierte Frau wie die Grütters wäre mal eine Abwechslung gewesen als Oberhäuptin in unserer alten und neuen Mir-reicht’s-Hauptstadt. Jetzt aber kriegen wir einen Aktenordner namens Müller als Regierenden Bürgermeister. Persönlich ist gegen ihn wahrscheinlich nichts zu sagen: Eben ein freundlicher Ärmelschoner, der das Charisma eines stellvertretenden Sparkassen-Filialleiters von Hinterfinsterwalde ausstrahlt. Und der wird nun auch noch per Ämter-Anhäufung zuständig für die Kultur in Berlin (selbst für die mit dem Vornamen Sub). Und ich fürchte, dass ihm diese meilenweit an verschiedenen Körperteilen vorbeigeht, wobei ich hier von Hirn und Herz rede und nicht vom Gesäß, dass bei jedem Amts-Insassen ohnehin zur notwendigen Grundausstattung gehört.

Ich fürchte, wir werden uns in Berlin eines nicht allzu fernen Tages noch nach Wowereit zurücksehnen. Auch der war und ist kulturell eher ein piefkiger Schnösel. Die Kulturszene der Stadt hat er eher peinlich bereichert, etwa als er für eine Schwulen-Mami wie Desiree Nick das Aschenblödel machte – nach dem Motto: Ruckedigu, Sekt ist im Schuh! Aber immerhin: Allein sein damaliges Outing und die anschließende Wowi-Wahl haben diese Stadt Berlin erfreulich entspießert und ein Stück denkoffener gemacht und damit auch attraktiver für manches international herumstreunende Künstlervolk. Ja, das war auch gut so! Dafür gebührt ihm ein Dank!

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Als eine „Zonenwachtel“ habe man sie einst beschimpft, berichtete Angela Merkel Anfang der Woche auf einem Migranten-Meeting in der Berliner CDU-Zentrale. Nun stammt sie ja selbst aus dem nahen Osten. Wir haben somit eine Kanzlerin mit Migrationshintergrund. Wohl deshalb sei sie, so ihre tröstenden Worte an das meist argwöhnisch beäugte Ausländervolk, „ein bisschen komisch beguckt“ worden. Doch vielleicht guckte man damals auch deshalb komisch, weil sie angeblich nicht mit Messer und Gabel umgehen konnte, wie ihr einstiger Ziehvater vor vertraulichem Mikro höhnte. Nun ja, so erging es damals nicht nur besagter Ossin, sondern vielen ihrer Zeit-Gen-Ossen: Sie brauchten gar nicht Messer und Gabel, sondern nur einen Löffel, weil sie die Suppe auslöffeln mussten, die sie sich supp-optimal selber eingebrockt hatten. Als die Merkel dann mit Gabel und Messer umgehen konnte, spürte das auch der einstige Einheitskanzler, der sie aufgegabelt hatte, sehr schmerzhaft. Plötzlich steckte ihr Messer in seinem Rücken. Er hauchte nur noch: „Auch du, meine Tochter Angela!“ und sank hinab in den Spenden-Sumpf. Oder sollte der Vereinigungs-Caesar gar geröchelt haben: „Auch du, meine Zonen-Wachtel?“.