Bekenntnisse

Das Steinbrücksche "Twilight"-Movie: 

Bis(s) zum letzten Grauen!

Nr. 567 – vom 18. Januar 2013
Eine Hängepartie wird es werden, die Wahl in Hangover. Das prophezeien zumindest alle Auguren, die den Flug der Pleitegeier in den niedersächsischen Tiefebenen rings um Großburgwedel beobachten. Darf das FDP-Skelett noch einmal mit den morschen Knochen klappern? Kann sich die Links-Partei am Dutt der Frau Wagenknecht aus dem eigenen Sumpf ziehen? Können die Piraten mit ihrem lecken Kahn anlegen an der Leine -- oder ziehen sie endgültig dieselbe?

Und was ist mit der SPD, der bundesweiten 23-Prozent-Partei, die der Kandidat innerhalb weniger Wochen von immerhin 30 Prozent heruntergebracht hat in den demoskopischen Keller? Egal, wie die Landtagswahl am Sonntag ausgeht: Es dämmert in der SPD. Und zwar dämmert es den meisten, daß man da einen leicht verschatteten Kandidaten gekürt hat. Einen Schattenkanzler fürwahr. "Der hat doch wohl echt 'nen Schatten." Solche Bemerkungen gehören noch zu den behindertenfreundlichsten Einschätzungen, die ich aus dem sozialdemokratischen Teil meines politischen Bekanntenkreises höre. Eigentlich ist es wohl mehr ein Halbschatten, der da in diesem Twilight-Movie herumgeistert: Bis(s) zum letzten Grauen. Ein renommierter Parteienforscher, ein gewisser Joseph von Eichendorff, hatte diesen Horror, unter dem die SPD nun leidet, ahnungsvoll beschrieben in einer Analyse unter dem Titel "Zwielicht":

Dämmrung will die Flügel spreiten. (...)
Wolken ziehn wie schwere Träume.
Was will dieses Graun bedeuten?

Wie rühmte einst der angebliche Parteichef Gabriel den Kandidaten bei dessen Nominierung: "Peer Steinbrück hat sich schon als Finanzminister große Verdienste erworben." Nur, daß sich keiner an solche Verdienste erinnern kann, sondern nur an die späteren Nebenverdienste. Das Große Bundesnebenverdienstkreuz ist ihm jedenfalls sicher. Und die Kanzlerin wird es ihm nach der Bundestagswahl gewiß verleihen. Hat er sich doch jetzt schon um die CDU verdient gemacht. Allerdings wird es wohl nie herauskommen, wieviel ihm die CDU gezahlt hat, damit er für sie Wahlkampf führt noch bevor der Wahlkampf begonnen hat. Er will eben mit allen Mitteln verhindern, daß er selber Kanzler wird. Ein Hungerlohn von monatlich 17.000 Euro ist einem Kandidaten nicht zuzumuten, der fast dieselbe Summe in einem halbstündigen Standard-Gelaber verdienen kann.

Gestern gab er sich mal wieder im Bundestag als kämpferischer Antikapitalist, der rhetorisch gegen die Allmacht der Banken andonnerte. Die "Süddeutsche" kommentierte: "Steinbrück lebt nicht, was er da verkündete. Er war schon immer mehr Arbeitgeber als Arbeitnehmer. Er würde sich auch verbiegen, wenn er plötzlich den Arbeiterführer gäbe." Doch genau das hat er bei seinem Auftritt vor dem letzten SPD-Parteitag in Hannover versucht. Schließlich ist Hannover inzwischen das Zentrum der sozialistischen Internationale. Ist es doch die Stadt der wahrhaft großen Arbeiterführer in der deutschen Geschichte: Gerhard Schröder, Christian Wulff, ganz zu schweigen von Fritz Haarmann, der allerdings eher für die Arbeiterjugend zuständig war.

Im Bundestag höhnte jedenfalls Wolfgang Schäuble in seiner Replik: "Sie sagen etwas, wovon ich nicht glaube, daß das der richtige Steinbrück ist." Tscha, offenbar gibt’s noch einen anderen Steinbrück, aber den darf er zur Zeit nicht raushängen lassen aus seinem etwas zu flotten Mundwerk. Er ist und bleibt ein Schizo-Sozi. Hätte die SPD doch nur auf Eichendorff gehört, als der sie warnte vor diesem zwielichtigen Kandidaten -- und zwar schon lange vor dessen Nominierung. In seiner "Zwielicht"-Expertise heißt es unter anderem:

Hast du einen Freund hienieden,
Trau ihm nicht zu dieser Stunde,
Freundlich wohl mit Aug' und Munde,
Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.

Natürlich wird Steinbrück auch festreden, wenn am 23. Mai dieses Jahres die deutsche Sozialdemokratie sich zum hundertfünfzigsten Mal verjährt. Allerdings gab es Streit unter den Genossen, warum die Parteiführung unbedingt die deutsche Kanzlerin zum Festakt bitten mußte. Ich finde es nur konsequent. Ist sie doch längst die oberste Sozialdemokratin dieses Landes -- auch nach Meinung der letzten AufRechten in der CDU. Bei den entscheidenden Abstimmungen im Bundestag etwa zur Europa-Politik ist sie zugleich die eigentliche Fraktionsvorsitzende der SPD, die den Genossen das Abstimmungsverhalten vorschreibt. Und die verschaffen ihr dann immer wieder die heimliche Kanzlerinnen-Mehrheit, die sie in den Reihen ihren Koalition längst nicht mehr hat. Insofern ist es auch nur konsequent, wenn der SPD-Kandidat sich der alten sozialdemokratischen Tugend entsinnt, die da unter dem Stichwort "Solidarität" längst verstaubt ist, und nun mit ihr schreitet Seit’ an Seit’, denn mit ihr zieht die neue Zeit. Genauer: die alte. Die Zeit der Großen Koalition, die da dämmert am Horizonte. Oder um es mit Eichendorffs "Zwielicht" zu sagen, der offenbar in strikter innerparteilicher Opposition zu Steinbrück stand und sich daher an die Basis der Partei wandte mit dem Aufruf:

Was heut' müde gehet unter, (...)
Manches bleibt in Nacht verloren.
Hüte dich, bleib wach und munter!

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PS. Im Januar trete ich jeden Samstag (also auch morgen) um 20 Uhr bei den Berliner „Wühlmäusen“ auf mit meinem Programm „Kassandra, übernehmen Sie!“.
Im Februar und März bin ich dort jeden Sonntag um 16.30 Uhr auf der Bühne – http://www.wuehlmaeuse.de
In Berlin bin ich auch am Sonnabend, 2. März, 20 Uhr, im "Wirtshaus Moorlake" – http://www.moorlake.de

Weitere Termine: 
Montag, 28. Januar, “Alma Hoppes Lustspielhaus“ in Hamburg – http://www.almahoppe.de
Donnerstag, 31. Januar, im Kasseler „Theaterstübchen“ – http://www.theaterstuebchen.de
Am Freitag und Samstag, 1. und 2. Februar, Theater am Küchengarten, Hannover – http://www.tak-hannover.de
Näheres siehe Tourneeplan